Lassen Sie sich den Text der Seite vorlesen

Hans-Pfitzner-StraßeWeiterführende Informationen zur Person und Historie

In den 1970er Jahren entstand in Schriesheim westlich der B3 ein neues Wohngebiet, dessen Straßen nach Komponisten benannt wurden. Auf Vorschlag eines Bürgers wurde eine noch unbenannte Ringstraße durch den Gemeinderat der Stadt Schriesheim nach Hans Pfitzner benannt, der in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einer der führenden deutschen Komponisten war. Hans Pfitzner schrieb unter anderem die Musik zum Ritterschauspiel „Das Käthchen von Heilbronn“, dessen Hauptperson Friedrich Wetter Graf vom Strahl seinen Hauptsitz auf der Schriesheimer Strahlenburg hatte.

Mit der Persönlichkeit Hans Pfitzners setzte sich zum Zeitpunkt der Benennung niemand auseinander. Dies war seinerzeit auch nicht üblich. Ein historisches Problembewusstsein wie heute gab es in dieser Form nicht. 1994 wurde noch eine Sondermarke der Deutschen Post zu Ehren Hans Pfitzners herausgegeben.

Im Jahr 2021 wurde die Verwaltung durch einen Journalisten darauf aufmerksam gemacht, dass Hans Pfitzner als bekennender Antisemit und Anhänger des Nationalsozialismus sehr umstritten ist. Briefe von Pfitzner belegen eindeutig, dass er auch nach dem Zweiten Weltkrieg an seinen Überzeugungen festhielt und diese verteidigte. Nach Bekanntwerden dieser Tatsache sah sich die Stadt Schriesheim gezwungen zu handeln.

Es wurde unter anderem eruiert wie andere Städte und Gemeinden mit der Namensgebung nach Hans Pfitzner umgegangen sind. Einige deutsche Städte hatten bereits eine  Umbenennung des Straßennamens vorgenommen. Die Stadt Wien dagegen behielt den Straßennamen und ergänzte ihn durch einen Erklärungstext.

Die Schriesheimer Verwaltung schloss sich bei ihrer Beschlussvorlage den Kommunen an, welche den Straßennamen Hans Pfitzner umbenannt hatten. In diesem Zusammenhang wurde ebenso angeführt, den Sachverhalt der Umbenennung mit einem zusätzlichen Schild zu dokumentieren.

Im Vorfeld brachten die Bewohner der Straße mehrheitlich zum Ausdruck, dass sie den Namen der Straße behalten wollten. Dies hatte nichts mit der Person Pfitzners zu tun, sondern war vielmehr praktischen Erwägungen geschuldet.

In der Gemeinderatssitzung im Juni 2022 wurde der Beschlussvorschlag der Verwaltung abgelehnt. Stattdessen wurde beschlossen, analog zur Stadt Wien, den Straßennamen Hans Pfitzner beizubehalten und zusätzlich mit einem Erklärungsschild auf die Historie Hans Pfitzners aufmerksam zu machen.

Kurzbiographie

Hans Pfitzner wurde am 05. Mai 1869 in Moskau in eine Musikerfamilie geboren. Sein Vater war Violinist und Musikdirektor. Er genoss schon früh eine musikalische Erziehung. Pfitzner studierte unter anderem Komposition in Frankfurt sowie Theorie und Klavier in Koblenz. Nach dem Studium lehrte Pfitzner an den unterschiedlichsten Orten und Einrichtungen und leitet zahlreiche Orchester. Seine Berufung fand er in der Komposition. Sein Aufstieg und der Höhepunkt seiner musikalischen Tätigkeit fällt in das erste Viertel des 20. Jahrhunderts. Sein erfolgreichstes Werk „Palestrina“ schuf er 1917. Nach dem Ersten Weltkrieg war er einer der führenden modernen deutschen Komponisten. Sein Stern begann dann allerdings langsam zu sinken. Die Nationalsozialisten konnten mit seiner Musik wenig anfangen, so sehr er sich ihnen auch anbiederte. 1934 wurde er pensioniert.

Pfitzner geriet zwar nicht in Vergessenheit und wurde 1936 von den Nationalsozialisten zum Kultursenator ernannt und 1944 in die Gottbegnadetenliste aufgenommen, doch es wurde still um ihn. Nach dem Krieg zog er 1946 in ein Altersheim nach München. Am 22. Mai 1949 verstarb Hans Pfitzner in Salzburg.

Wer war eigentlich Hans Pfitzner und wie ist er einzuschätzen?

Hans Pfitzner war eine zutiefst gespaltene Persönlichkeit. Er kannte keine Kompromisse, für ihn gab es nur schwarz oder weiß. Entweder war man für oder gegen ihn. Für seine Freunde und Förderer tat er fast alles und hielt zu ihnen, ob sie nun jüdischen Glaubens oder Nationalsozialisten waren. Hatte er sich jedoch mit jemandem verfeindet, war er nachtragend, bösartig, ungerecht und sehr verletzend. Für Kritiker seines Werkes und seiner Person hatte er nur Verachtung übrig. Pfitzners großes Problem war, dass er seine Prinzipien hatte und mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt, wie verletzend er auch war. Er war kein Diplomat.

Eine besondere Abneigung hatte er den Juden gegenüber. Bereits 1898, mit 29 Jahren, bezeichnete sich Pfitzner explizit als Antisemit. Diese Haltung hatte er nach eigenen Angaben in Berlin entwickelt, immer wieder vertreten und bis zu seinem Tode nicht revidiert. Im Gegenteil – auch nach 1945 hatte er den Antisemitismus noch in Schutz genommen und verteidigt.

Einen großen Einfluss auf Pfitzner hatte der verlorene Erste Weltkrieg mit dem anschließenden Versailler Vertrag, der seinem überhöhten Nationalgefühl schwer zugesetzt hatte. Er konnte sich nie mit der Demokratie anfreunden. Vielmehr war die Dolchstoßlegende bei ihm lebendig. Auch frühe Kontakte zum Nationalsozialismus und Hitler machten ihn empfänglich für ihre Ideologie. So hatte er große Hoffnungen als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Sie erfüllten sich jedoch nicht. Hans Pfitzner wurde geehrt und erhielt Preise, aber seine Musik passte nicht für die nationalsozialistischen Zwecke. Außerdem machte er sich durch seine Art bei den Machthabern unbeliebt.

Der Tod seiner Frau Mimi 1926 und der seiner drei Kinder (1936, 1939, 1944) sind sicherlich nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Am Ende seines Lebens war er ein verbitterter alter Mann, der alles verloren hatte und der seinen gesamten Hass noch immer auf die Juden projizierte und mit dem Nationalsozialismus nicht gebrochen hatte.

Stadtverwaltung Schriesheim

Weiterführende ausgewählte Literatur

Sabine Busch: Hans Pfitzner und der Nationalsozialismus. J. B. Metzler, Stuttgart/Weimar 2001

Bernhard Adamy: Hans Pfitzner. Literatur, Philosophie und Zeitgeschehen in seinem Weltbild und Werk. Schneider, Tutzing 1980

Ludwig Schrott, Die Persönlichkeit Hans Pfitzners (Freiburg 1959). 

Ludwig Schrott war Journalist und Schriftsteller. Er war mit Pfitzner befreundet und ein großer Verehrer. Seine Biographie ist sehr wohl wollend und positiv, sie klammert aber unangenehme Punkte und Wesenszüge nicht aus. Die Tatsache, dass Schrott Pfitzner gut kannte und persönlichen Umgang pflegte, macht Schrotts Charakterisierung Pfitzners authentisch, obwohl sie sicherlich ein wenig „glatt gebügelt“ ist.