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Anton-Geiß-PlatzWeiterführende Informationen zur Person Anton Geiß (1858-1944)

Erster Badischer Staatspräsident 1919-1920

Anfänge

Anton Geiß kam gebürtig aus Rettenbach im Allgäu. Er wurde am 11. August 1858 in ein kleinbäuerliches Milieu hineingeboren, welches seinen Charakter und seine spätere politische Überzeugung mitprägen sollte. Besonders seine fürsorgliche und herzensgute Mutter hat einen maßgeblichen Anteil an seiner Persönlichkeit. Sein überaus strenger Vater machte ihm das Leben schwer. Er sprach selbst von einer freudlosen und unglücklichen Kindheit. Schon sehr früh musste er mitarbeiten und Geld verdienen.

1871 begann er eine Schreinerlehre (mit 13 Jahren). Als Geselle war er mehrere Jahre mit Unterbrechungen auf der „Walz“/Wanderschaft. Ab 1884 ließ er sich zunächst in Ludwigshafen nieder. Er und seine Frau Karolina, sie heirateten am 07. September 1886, zogen des Öfteren um. Lebensmittelpunkt wurde schließlich Mannheim, wo er seine politische Karriere begann. Am 01. September 1895 übernahm er die Gastwirtschaft „Zum Englischen Garten“.

Politische Laufbahn bis 1918

1887 wurde Anton Geiß Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Seine Erfahrungen als Kind im ländlichen Raum, seine Tätigkeiten als Handwerksgeselle und Beobachter des sich industrialisierenden Mannheims, brachten ihn zur Überzeugung, dass er sich politisch engagieren musste. Mit der Übernahme seiner ersten Gastwirtschaft machte er seinen ersten Schritt. In den Gastwirtschaften trafen sich die Arbeiter, Handwerker, Fuhrleute et cetera. Als Gastwirt erfuhr Geiß aus erster Hand von den Sorgen und Nöten der Menschen, er war am „Puls der Zeit“. Ein Gastwirt, der gleichzeitig für ein politisches Amt kandidierte, konnte sich eine große potentielle Wählerschaft aufbauen. Anton Geiß wurde mehrmals in den Mannheimer Stadtrat und andere städtische Gremien gewählt, er übernahm ab 1897 den Vorsitz der Mannheimer SPD.

Anton Geiß machte sich in der Kommunalpolitik Mannheims einen Namen. Schon bald wurde er Landesvorsitzender der SPD in Baden (1908-1919) und Mitglied der zweiten Kammer der badischen Landstände, deren 1. Vizepräsident er von 1909 bis 1917 war. 1914 brach der Erste Weltkrieg aus, dessen Ende Anton Geiß in das Rampenlicht der badischen Geschichte rückte.

Badischer Ministerpräsident und badischer Staatspräsident 1918-1920

Meuternde Matrosen brachten im November 1918 die Revolution von Kiel in das gesamte Reichsgebiet. An vielen Orten brachen Unruhen und gewaltsame Revolten aus. Besonders in Berlin war die Lage hochexplosiv. Am 09. November rief in Berlin der SPD-Politiker Philipp Scheidemann die Republik aus und verkündete die Abdankung des Kaisers. Das blieb nicht ohne Einfluss auf die übrigen Landesteile. Auch in Baden musste etwas unternommen werden, damit der Übergang von der Monarchie zur Republik übergangslos und vor allem ohne Gewalt vollzogen werden könne.

In Karlsruhe tagte am 10. November ein Gremium der badischen Parteien und des Karlsruher Soldatenrates, um eine neue, nicht vom Großherzog legitimierte Regierung zu beschließen. Man kam überein Anton Geiß als Ministerpräsident einer provisorischen Regierung einzusetzen. Geiß befand sich zu der Zeit in Mannheim und war von dem Beschluss sehr überrascht und lehnte zunächst ab. Nach einigem Zögern nahm er schließlich an.

Diese parteienübergreifende Entscheidung hatte mit seiner Persönlichkeit und seiner ausgleichenden, unaufgeregten Art zu tun. Er war in der badischen Politik immer ein ausgleichender Faktor, der versuchte möglichen Konflikten mit einer Politik des Ausgleiches und des Kompromisses zu begegnen. In dieser neuen politischen Situation, wo sich die Ereignisse überstürzten und der Übergang zur Demokratie sich leicht in revolutionären Unruhen entladen konnten (siehe Berlin, Räterepublik in Bayern et cetera) benötigte man eine Persönlichkeit wie Anton Geiß.

Eine seiner ersten und wichtigsten Aufgaben bestand darin, den noch amtierenden Großherzog Friedrich II. zur Abdankung zu bewegen. Dieses Vorhaben ist mit einiger Verzögerung schließlich gelungen. Eine persönliche Unterredung von Anton Geiß mit dem Großherzog stellte die Weichen. Friedrich II. dankte am 22. November 1918 ab. Den nächsten Meilenstein stellte die Nationalversammlung am 15. Januar 1919 dar, welche die neue badische Landesverfassung ausarbeiten sollte. Seine Eröffnungsrede war ein beeindruckendes Beispiel wie er die unterschiedlichsten politischen und gesellschaftlichen Richtungen miteinander vereinen konnte.

Nach der Verabschiedung der neuen Verfassung musste nun eine neue, verfassungsgemäße Regierung gebildet werden. Die damalige Regierungskoalition bestand darauf, dass Anton Geiß die neue Regierung als Staatspräsident anführte. Auch diesmal übernahm Geiß dieses Amt, mit der ihm eigenen Haltung, es nur so lange wie nötig auszuüben. Die Amtszeit war auf ein Jahr beschränkt. Er wurde am 02. April 1919 gewählt und am 26. Mai 1920 im Amt bestätigt, was seine außerordentlichen Regierungsfähigkeiten unterstreicht. Er war in seinem Amt eher ein „Landesvater“ als ein Bürokrat. Er reiste viel im Land umher, um Kontakt mit den Menschen herzustellen und so für die neue Politik und Regierungsform zu werben.

Der Versailler-Vertrag von 1919 prägte die Regierungszeit von Anton Geiß. Baden grenzte nun wieder an Frankreich. Eine entmilitarisierte Zone (50 Kilometer breit östlich des Rheins) und die französische Besetzung Kehls betrafen Baden unmittelbar.

Die Ausübung des Amtes als Staatspräsident machte Anton Geiß mit der Zeit viel zu schaffen. Auch die Kritik aus eigenen Reihen, dass er zu wenig sozialdemokratische Politik mache, traf ihn sehr. Als bei den Reichstagswahlen am 06. Juni 1920 die SPD in Baden große Stimmenverluste hinnehmen musste, wurde auch die Regierung umgebildet. Anton Geiß trat am 04. August 1920 ohne Bedauern zurück.

Lebensabend in Schriesheim

Nach seinem Abschied aus der aktiven Politik 1920 lebte Anton Geiß in Mannheim, wo er eine Gastwirtschaft betrieb. 1933 siedelte er mit seiner Frau Karolina, die schon länger mit gesundheitlichen Probleme zu kämpfen hatte, nach Schriesheim in das Kreisaltenheim. Dort starb sie 1935.

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Geiß auch seine Altersversorgung gestrichen. Sein Sohn Anton unterstützte durch eine Leibrente. Nach dem Tod seiner Frau zog Anton Geiß vom Kreisaltenheim in die Gastwirtschaft „Zum Roten Ochsen“, welche zentral in der Altstadt von Schriesheim lag. Ein Umfeld, in dem sich der ehemalige Gastwirt und Sozialdemokrat wohler fühlte als in einem Altenheim. Dort starb er schließlich am 03. März 1944. Er liegt auf dem Schriesheimer Friedhof begraben.

Stadtverwaltung Schriesheim